Als unsere Tochter 9 Monate alt war, stand der erste Monat Elternzeit für meinen Mann an. Für uns stand schnell fest, dass wir in den Norden wollen, am besten dort hin, wo es wenig Touristen gibt. Mir schwirrte schon länger Estland im Kopf herum und nachdem ich den Reisebericht von Christina von der Reisemeisterei gelesen habe, gab es für mich nur noch dieses Reiseziel. Also habe ich uns eine Rundreise mit vier Stopps zusammengestellt und nach Unterkünften geschaut. Man kann in Estland verhältnismäßig günstig sehr schicke Hotels bekommen, so dass ich zwei schöne Hotels und eine Herberge gebucht habe. Auf der Insel Saaremaa haben wir Couchsurfing gemacht. Später mehr dazu.
Unser Flug ging von Frankfurt nach Tallinn, wo wir uns für 10 Tage einen Mietwagen geliehen haben. Unser Hotel in Tallinn war 5 min von der Altstadt entfernt, so dass wir, nachdem wir unser Zimmer bezogen haben, direkt die Altstadt besichtigen konnten.
Wenn man durch das Tor die Altstadt betritt, weiß man gar nicht wo man als erstes hinschauen soll, da es überall wunderschöne Gebäude gibt, die in allen Farben erstrahlen. An jeder Ecke gibt es kleine Cafes, Restaurant und Läden, in denen man stöbern kann.
Man kann getrost einen ganzen Tag in der mittelalterlichen Altstadt verbringen, ohne dass einem langweilig wird.
Am nächsten Tag wollten wir uns den Rest von Tallinn ansehen und haben uns zwei Räder samt Anhänger für unsere Kleine ausgeliehen. Mit einer Karte in der Hand radelten wir los in Richtung Pirita Strand, dem größten Badestrand Tallinns. Der Fahrradweg ging praktisch parallel zum Meer und bot immer wieder einen Ausblick auf die Fähren und das Wasser. Es war kaum jemand unterwegs und ich war fasziniert von der Atmosphäre, die schwer in Worte zu fassen ist. Auf der einen Seite fühlte ich mich wie im Süden am Meer und auf der anderen Seite, wenn ein alter Trabi an mir vorbeituckerte, wie zurückversetzt in die Zeit der russischen Besatzung.
Auf etwa halbem Weg fanden wir nach langer Suche den Friedhof der Denkmäler: ausrangierte Lenin- und Stalin-Statuen hinter dem Geschichtsmuseum „Maarjamäe Loss“, die frei zugänglich waren. Wir sind das ganze Gelände abgelaufen, bis wir schließlich hinter das Museum schauten und sie dort entdeckten. Mir war ganz mulmig zumute, da außer uns keine Menschenseele auf dem gesamten Museumsgelände war und ich ständig das Gefühl hatte, etwas verbotenes zu tun.
Nachdem wir uns alles angeschaut haben, sind wir weiter Richtung Strand gefahren. Am fast menschenleeren Strand angekommen, packten wir unsere Decken und unser Picknick aus. Wir genossen die Stille und die Weite des Meeres. Der Strand war ein Traum für Eltern und Kind. Das Wasser, wie fast überall in Estland, sehr flach und der feine Sandstrand sehr breit.